Lieber Jascha,

Deine Frage ist ein echter Klassiker. Die Antwort hängt gewissermaßen davon ab, was wir unter dem Wort „Ei“ verstehen. Mit „Ei“ meinen wir nicht unbedingt immer gleich Eier mit Schalen, sondern häufig zunächst die Eizellen im Körper des weiblichen Tiers. Die allermeisten (99,99%) aller Pflanzen und Tiere pflanzen sich geschlechtlich fort. Das heißt, dass die Geschlechtszellen des männlichen Tiers (Samen) mit denen des Weibchens (Eier) zusammen ein neues Tierjunges ergeben.

Jascha (9) aus Singen.
Jascha (9) aus Singen. | Bild: Lintze

Also im evolutionären Sinn sind Eier sehr viel älter als Hühner, die evolutionär viel jünger sind als die Erfindung der geschlechtlichen Fortpflanzung und damit auch Eier und Samen. Mit anderen Worten: Die Tiere, die wir als Hühner kennen, wurden zu ihrer heutigen Form erst gezüchtet, als es die Fortpflanzung über Eier und Samen schon längst gab. Das Ei war hier zuerst da.

Auch wenn „Ei“ sich auf Eier mit Schalen bezieht, die an Land gelegt und dort ausgebrütet werden, sind Eier ebenfalls viel älter als Hühner, denn alle Reptilien (zu denen auch die Vögel als letzte Gruppe überlebender Dinosaurier gehören) legen Eier, die ausgebrütet werden.

Hühner betrachten ein Ei auf einem Bauernhof.
Hühner betrachten ein Ei auf einem Bauernhof. | Bild: Victoria Bonn-Meuser/dpa

Selbst wenn „Ei“ sich allein auf Hühnereier bezieht, sind Eier älter als die domestizierten (also gezüchteten) Vögel, die wir Hühner nennen. Denn die Vorfahren der Hühner, die aus dem asiatischen Dschungel stammen, hatten auch schon Eier gelegt, bevor wir sie gezüchtet haben, um Eier für uns zu legen. Aus diesen Tieren wurden schließlich unsere Hühner und ihre speziellen Hühnereier gezüchtet, wie wir sie heute kennen.

Fazit: Das Ei war vor dem Huhn da.

Prof. Dr. Axel Meyer.
Prof. Dr. Axel Meyer. | Bild: Inka Reiter

Prof. Dr. Axel Meyer, Lehrstuhl für Zoologie und Evolutionsbiologie, Universität Konstanz.

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