Liebe Anike,

das ist eine ganz interessante Frage! Unser Leben wäre natürlich viel einfacher, wenn es nur eine Sprache geben würde. Dann müssten wir in der Schule keine Fremdsprache lernen und wir könnten uns auf Reisen ganz einfach mit anderen Menschen unterhalten.

Anike (8) aus Überlingen.
Anike (8) aus Überlingen. | Bild: Stephanie Morath

Manche Sprachen klingen ganz ähnlich, andere sind sehr unterschiedlich. Und manchmal hören wir aus unserer eigenen Sprache einen Dialekt, der so fremd klingt, dass wir ihn kaum verstehen, obwohl es doch Deutsch ist. Wie kommt das alles?

Sprachen verändern sich und entwickeln sich immer weiter. Das fängt im Kleinen an: Menschen beginnen, Wörter ein bisschen anders auszusprechen als anderswo in ihrem Land. Dadurch entstehen allmählich neue Dialekte. Manchmal kommen auch neue Wörter hinzu oder man schnappt ein fremdes Wort auf. Wenn viele Menschen diese Sprachveränderungen mitmachen, kann sich im Laufe der Zeit aus einer Sprache eine neue entwickeln.

Das war bei uns in Deutschland nicht anders. So hat man im Mittelhochdeutschen (das wurde hier vor ca. 500 bis 900 Jahren gesprochen) nicht „mein“ gesagt, sondern „min“ (mit langem „i“), nicht „Haus“, sondern „Hus“ (mit langem „u“), nicht „heute“, sondern „hiute“ (das „iu“ wird wie ein „ü“ ausgesprochen). Diese lautlichen Unterschiede sind einigermaßen regelhaft. Vielleicht kannst Du erraten, wie die mittelhochdeutschen Wörter „riten“, „mus“ und „vriunt“ heute heißen? Und was glaubst Du, könnte „truom“ bedeuten? (Die Auflösung findest Du unten. Tipp: Manchmal hilft es, die Wörter laut auszusprechen.)

Wir können auch direkt hier in unserer Stadt beobachten, wie sich unsere Sprache verändert. So unterscheidet sich zum Beispiel die Jugendsprache von der Sprache der Erwachsenen, vermutlich deshalb, weil man als Gruppe etwas gemeinsam haben möchte: sei es ein spezielles Kleidungsstück oder eben eine eigene Sprache. Beispiele für Wörter der Jugendsprache sind „Babo“ (das ist der „Boss“), „nice“ (als Ausruf für „toll“, „super“) und „lost“ („ahnungslos“, „unsicher“). Da fällt es den Erwachsenen manchmal richtig schwer, mitzureden.

Wenn Bevölkerungsgruppen wenig Kontakt zueinander haben, dann können sich die Sprachen in unterschiedliche Richtungen entwickeln, ohne dass die anderen das mitbekommen. Sprachen, die stärker miteinander in Berührung sind (früher etwa durch Völkerwandungen oder Eroberungen oder Handel) sind sich deshalb ähnlicher als Sprachen, die wenig Kontakt zueinander haben. Nehmen wir als letztes Beispiel das deutsche Wort „Land“. Das italienische, französische, spanische und portugiesische Wort dafür sind sich sehr ähnlich: „paese“ (Italienisch), „pays“ (Französisch), „país“ (Spanisch) und „país“ (Portugiesisch).

Auflösung:

(a): riten bedeutet reiten

(b): mus bedeutet Maus

(c): vriunt bedeutet Freund

(d) truom bedeutet Traum

Prof. Dr. Bettina Braun ist Sprachwissenschaftlerin an der Universität Konstanz. Sie erforscht, wie Menschen Sprachen lernen und Wörter ...
Prof. Dr. Bettina Braun ist Sprachwissenschaftlerin an der Universität Konstanz. Sie erforscht, wie Menschen Sprachen lernen und Wörter und Sätze verstehen. | Bild: Uni Konstanz

Prof. Dr. Bettina Braun ist Sprachwissenschaftlerin an der Universität Konstanz. Sie erforscht, wie Menschen Sprachen lernen und Wörter und Sätze verstehen.

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