Beim Turnverein Radolfzell ging es kürzlich um Männer. Und zwar nicht um jeden Mann, sondern um eine ganz spezifische Sorte von Mann: um den sogenannten Babyboomer unter den Männern. Geboren wurde diese Gruppe zwischen den Jahren 1954 und 1969. Es sind die Jahrgänge, die seit Kurzem in oder vor der Rente stehen – und die man motivieren könnte, etwas für ihre Gesundheit zu tun. Denn gerade diese Kohorte dürfte voraussichtlich älter als frühere Generationen werden. Doch sie ist weniger gesund.

Das sagte zumindest der Seniorenbeauftragte des Badischen Turnerbunds, Ehrfried Deschner, jüngst bei einem Kurzvortrag im Turnerheim auf der Mettnau, wo der Turnverein Radolfzell für sein Seniorenprogramm ausgezeichnet wurde.

Deutlich mehr Frauen als Männer im Seniorensport

Die Mitgliederstatistik des Badischen Turnerbunds spricht für sich selbst: Innerhalb dieser Generation seien doppelt so viele Frauen wie Männer in einem Turnverein. Erfasst wurden die Daten von 1186 Turnvereinen. „Doch wo sind diese Männer?“, fragte Deschner. Sind sie im Fitness-Studio? Schauen sie gerne Fußball? Sind sie im Wohnmobil unterwegs oder machen sie vielleicht gar nichts? In seinem Vortrag kam der Senioren-Beauftragte zu überraschenden Erkenntnissen.

Die Gruppe habe folgendes Selbstbild: Vom Begriff Senior fühlten sie sich laut dem Vortrag nicht angesprochen. Die Freizeit und das Vergnügen habe bei ihnen eine hohe Priorität. Dabei seien sie unabhängig und selbstständig und hätten das Bedürfnis nach sinnvollen Aufgaben. Neuem gegenüber seien sie durchaus aufgeschlossen. Und viele von ihnen hätten eine finanzielle Sicherheit und eine hohe Kaufkraft, sagte Deschner. Gerade für Vereine sei diese Zielgruppe attraktiv, damit sie die sich lichtenden Mitgliederzahlen im Alter von 30 bis 55 Jahren auffüllen könnten. Anlass genug für ihn, um über neue Mitglieder nachzudenken.

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Männer wollen Ballsport

Der Badische Turnerbund startete eine Umfrage unter Männern ab 60 Jahren und kam zu interessanten Einsichten: Männer ab 60 fänden Sport ohne einen Ball doof. Sie seien der Meinung, dass sie wenig Zeit hätten und Gymnastik eine Frauensache sei. Zudem gebe es wenig Männergruppen in einem Verein, wenig Spielarten und zu wenig Spielangebote.

Deschner bezog sich in seinem Vortrag auf das „Projekt Männersache“ von der Universität Bayreuth. Sie untersuchten die Bedürfnisse der Männer ab 60 Jahren beim Sport. An erster Stelle standen bei ihnen Spielformen im Wettkampf. Fast genauso hoch war das Interesse an der Beweglichkeit. An dritter Stelle stand das Bedürfnis, den eigenen Körper noch beherrschen zu können.

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Aufgrund der gewonnen Einsichten müsste eigentlich in jedem Training im Turnverein eine Spielform für Männer ab 60 angeboten werden, folgerte Ehrfried Deschner. „Sie wünschen sich einfache Spiele ohne ein kompliziertes Regelwerk, Spiele die man schnell erlernen kann und Spiele, für die man keine Grundlagen braucht“, erläuterte er. Gerade das Spiel würde ein Bedürfnis von Männern befriedigen – sich nämlich mit anderen messen zu wollen und auch den eigenen Ehrgeiz fördern.

Wie kann ein Turnverein Senioren ansprechen?

Um für Senioren attraktiv zu sein, empfahl Drescher Vereinen, Schnupperangebote für Nichtmitglieder zu entwickeln, ohne diese gleich mit einem Jahresvertrag binden zu wollen. Das Programm müsse fernab vom Normalen sein: Gymnastik, Zumba und Yoga seien keine Sportarten, die ein Mann hinter dem Ofen hervorlocken. Männer würden das Spiel mögen, den Wettkampf und die Bewegung. Für einen 58-Jährigen seien zum Beispiel Prellball-Light oder Einhand-Volleyball typische Sportarten, die in zehn Minuten erlernbar seien und den Ehrgeiz wecken.

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Es gelte für einen Verein, interessante Dauerangebote für Männer ab 60 Jahren anzubieten: Zum Beispiel das Boule-Spiel, das Mountain- oder E-Bike oder das Waldbaden als sportliche Interessensgruppen, für die man keinen Übungsleiter bräuchte. Dadurch könnte auch soziale Wünsche erfüllt werden.

Denn laut Deschner gehe es den Männern neben dem Spiel auch darum, im Anschluss gemeinsam ein Bier zu trinken. Gerade das Soziale sei ihm wichtig. Dies müsse ein Verein in seine Überlegungen einbringen, um den Mann ab 60 an sich binden zu können.