Herr Kalupa, im deutschen Fernsehen gibt es nicht nur viele Ermittler, sondern auch viele Ärzte. Sie haben beides gespielt – was ist Ihnen lieber?

Lieber ist mir immer das, was gerade stattfindet. Dr. Nice ist allerdings beides in einem, wenn man‘s genau nimmt. Er ist Arzt, und zwar ein sehr guter. Und irgendwie ist er auch Ermittler, weil er alles daran setzt, medizinische Fälle auf unkonventionelle Art zu lösen. Aber wenn ich mich entscheiden müsste, dann wäre ich lieber Arzt. Ermittler sind oft so harte Typen, ein Arzt gibt meist auch Raum für weichere Züge, das gefällt mir.

Hatten Sie vor „Dr. Nice“ ein Interesse an Arzt-Serien?

Ich habe die „Schwarzwaldklinik“ geguckt, „Scrubs“, „Dr. House“, „Grey‘s Anatomy“, alles, was es so gibt. Nicht alle Folgen, aber viele. Gerade die eher unkonventionellen Serien, die mehr von dem erzählen, was in den verschiedenen Lebensbereichen passiert, fand ich schon immer toll. Bei „Dr. Nice“ kann man eine Menge erzählen.

Was hebt Dr. Nice, der eigentlich ja Moritz Neiss heißt, in Ihren Augen von anderen TV-Ärzten ab?

Er liebt die Herausforderung. Und er tut alles, um ans Ziel zu kommen, um seiner Patientenschaft und sogar Fremden zu helfen. Er hat auch viele Eigenschaften, die eher negativ gesehen werden. Zum Beispiel ist er sehr egozentrisch, er sagt immer, was er denkt, und ist auch den Patienten gegenüber schonungslos. Er ist ein provokativer Freigeist, was zu Reibungen zwischen ihm und Dr. Schmidtke führt – denn während dieser Lieblingsfeind methodisch vorgeht, denkt Dr. Nice um die Ecke.

Wie ist es, jemanden zu spielen, dem völlig egal ist, was andere von ihm denken?

Das ist das Schöne an meinem Beruf und gerade an der Rolle des Dr. Nice, dass ich schonungslos Worte sagen kann, die ich als Patrick Kalupa nicht sagen würde, und Dinge tun kann, die ich selbst nicht tun würde. Ich finde es spannend zu sehen, wie es sich anfühlt, sich so anders zu verhalten. Denn letztendlich spielt man sich ja immer auch ein Stück weit selbst: Ich verkörpere Dr. Nice mit den Attributen, die ihm gegeben werden, und versuche, damit durchs Leben zu kommen.

Ein gutes Team: Charlie (Josefine Preuß, von links), Neiss (Patrick Kalupa) und Schmidtke (Maximilian Grill) haben sich einen ...
Ein gutes Team: Charlie (Josefine Preuß, von links), Neiss (Patrick Kalupa) und Schmidtke (Maximilian Grill) haben sich einen Rettungswagen geliehen, um einen Patienten zu suchen. | Bild: Gordon Muehle/ZDF

Wie man hört, gab es vor dem Start der Reihe 2023 auch Gespräche zwischen Autoren und Schauspielern, damit Letztere zum Beispiel Ideen einbringen konnten. Passiert so etwas öfter?

Mir war diese Herangehensweise neu, wobei ich ehrlich sagen muss, dass meine Projekte bis vor ein paar Jahren auch seltener den Umfang hatten, dass so ein Mitspracherecht gerechtfertigt gewesen wären. Was ich auch sagen muss: Wir haben sehr gute Autoren. Herrliche Settings, interessante Entwicklungen und tolle Dialoge kommen dabei rum.

Ich war von Anfang an immer total zufrieden, aber das heißt natürlich nicht, dass es nicht immer noch Luft nach oben gibt. (lacht) Wir können jederzeit Vorschläge machen. Das mache ich aber tatsächlich selten. Unser Produzent Stefan Raiser von Dreamtool Entertainment ist ein sorgsamer Showrunner, steckt voll im Thema und prägt jedes Detail. Davon profitieren wir alle.

Das heißt, Sie hatten keine besonderen Wünsche?

Genau. Ich habe großen Respekt für die Entwicklungsseite und mag es, wenn jeder seinen Job macht, aber offen bleibt für Vorschläge. Das Schöne ist, dass ich mit Ideen und konstruktiver Kritik immer auf offene Ohren stoße. Wir teilen ja alle dieselbe Vision!

Hatten Sie ein Mitspracherecht, was den Mode-Stil von Dr. Nice betrifft?

(lacht) Eher nicht. Klar ist, dass ich vieles, was er anhat, privat nicht tragen würde. Die Sachen sind mir zu auffällig, sie schreien ja geradezu. Aber es ist natürlich so, dass sich die KostümbildnerInnen wirklich Gedanken gemacht haben. Die Klamotten haben eingeschlagen wie eine Bombe, ich habe noch nie so viele Zuschriften gekriegt mit Fragen wie: Von wem ist die Jacke? Von wem sind die Schuhe?

Ich habe kurzzeitig überlegt, ob ich einen Online-Shop aufmache. (lacht) Ich bin jedenfalls happy, die Sachen vor der Kamera zu tragen – und fühle mich als Dr. Neiss darin auch richtig wohl.

Auf die Klamotten, die er als Moritz Neiss (hier mit Idil Üner als Dr. Birol) trägt, wird Patrick Kalupa oft angesprochen.
Auf die Klamotten, die er als Moritz Neiss (hier mit Idil Üner als Dr. Birol) trägt, wird Patrick Kalupa oft angesprochen. | Bild: Gordon Muehle/ZDF

Dr. Nice hat es nicht so mit dem Landleben, wie er selbst sagt. Sie hingegen bezeichnen sich auf Instagram als Naturliebhaber, Sie haben auch ein zweites Standbein als Floßverleiher. Das Landleben ist also schon was für Sie?

Ja, unbedingt. Ich bin total gerne draußen in der Natur und am Wasser. Egal ob süß oder salzig. Die brandenburgischen Flöße habe ich schon sehr lange, auf jeden Fall mehr als fünfzehn Jahre. Normalerweise würde ich sie jetzt selbst für die Saison herrichten, aber wir drehen schon neue „Dr. Nice“-Filme, daher übernimmt das erstmals ein Mitarbeiter. Ich liebe die Natur, die Ruhe, aber ich liebe auch die Stadt. Wenn man mich vor die Wahl stellen würde, müsste ich wirklich überlegen …

Sie machen auch sehr viel Sport. Sind Sie jemand, der immer in Bewegung sein muss?

Ja, ich bin schon ein ziemlich aktiver Typ, auch wenn es nicht mehr dasselbe Pensum ist, seitdem ich zwei Kinder habe. Aber ich brauche den Sport, um meinen Kopf frei zu kriegen und habe seit meiner Jugend immer trainiert: Boxen, Wassersport, Fitness. Im Zuge der Vorbereitung für „Dr. Nice“ habe ich wieder mehr gemacht, weil ich mich in Form halten und ihn ordentlich präsentieren möchte. (lacht)

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Dr. Nice lebt freiwillig im Hotel. Können Sie das nachvollziehen?

Ehrlich gesagt nicht. Es hat sicher Vorteile, aber für mich überwiegen die Nachteile. Ich bin einfach gern zu Hause, genieße meine private Umgebung inklusive Familienleben und halte es mit dem Motto „My home is my castle“. Andererseits entsteht ja auch im Hotel eine Gemeinschaft, wenn man dort viel Zeit verbringt. Moritz Neiss, wie Dr. Nice mit bürgerlichem Namen heißt, braucht das scheinbar gar nicht: Er ist eine Art Edel-Nomade, der Bindungsprobleme hat, von einem Job zum nächsten zieht und deshalb auch von einem Hotel zum nächsten.

Für jemanden auf der Überholspur ist es nicht viel wert, ein Zuhause zu haben. Er hat niemanden, sein Leben passt in zwei Schrankkoffer, das spricht ja schon Bände. Das wäre mir zu wenig, ich brauche eine Basis. Ich lebe seit über 40 Jahren in ein- und demselben Berliner Bezirk, hier bin ich verwurzelt. Das ist wirklich ein Geschenk. Ich war viel in der Welt unterwegs, bin aber trotzdem immer nach Weißensee zurückgekehrt.

Auf Instagram zeigen Sie hin und wieder Fotos von den Dreharbeiten. Man hat den Eindruck, das Team versteht sich sehr gut. Hängen Sie an den Kollegen?

Ja, sehr. Und ich habe meinen Moritz Neiss ins Herz geschlossen und möchte seine Geschichte gerne noch eine Weile erzählen. Da habe ich Lust drauf – und das ist das Ziel von uns allen, das noch ein paar Jahre zu machen. Der Cast ist ein wahrer Glücksgriff. Einige Kollegen und Kolleginnen kannte ich vorher schon, Josefine Preuß zum Beispiel und auch Maximilian Grill. Wir bilden alle zusammen eine tolle Nice-Familie. Das gemeinsame Spielen macht unglaublich viel Spaß.

Sechs Filme haben Sie schon gedreht, sechs weitere entstehen jetzt. Wissen Sie schon, was Dr. Nice alles erwartet?

Erst mal wird das Ende der zweiten Staffel sehr spannend sein, sehr unerwartet. Deswegen fangen die Filme, die wir jetzt drehen, besonders interessant an. Was ich schon sagen kann, ist, dass wir auch in Staffel drei wieder tolle medizinische Fälle erleben. Man wird auch noch mehr von der wunderschönen Flensburger Förde sehen. Und es werden auch die anderen Figuren neue Entwicklungen nehmen. Vielleicht wird sich Charlie ja verlieben, wer weiß?

Apropos spannende Fälle: Werden Sie als TV-Arzt von Zuschauern auch mal um medizinischen Rat gefragt?

Bis jetzt noch nicht, aber bisher liefen im Fernsehen ja auch erst die zwei Filme der ersten Staffel. Vielleicht ändert sich das nach den vier Filmen, die jetzt laufen? Wirklich verrückt ist, dass ich mich selber dabei erwische, dass ich mich ständig frage, wie es den Leuten um mich herum geht und was sie wohl haben, wenn sie krank sind. Da ist der Unterschied zwischen der Figur und mir nicht mehr sehr groß, auch weil ich sowieso ein kleines Helfersyndrom habe. (lacht) Wenn ich jemanden sehe, dem es nicht gut geht, springe ich hin und frage, was ich tun kann.