In der Jugend Ministrant, Klassensprecher, Schulsprecher. Später Bürgermeister, Ortsvorsteher, Gemeinderat. Auf eine interessante und kurvenreiche politische Vita kann Klaus Martin zurückblicken. Nach über 50 Jahren beendet der Christdemokrat jetzt seine kommunalpolitische Betätigung auf den unterschiedlichsten Ebenen, die in Tuttlingen anfing und jetzt in Obereschach ausklingt.

In diesen fünf Jahrzehnten hat Martin die Entwicklung seiner Partei, den Christdemokraten, intensiv aus der Binnenperspektive verfolgt, einschließlich ihres Machtverlusts im Bund und im Land. Was ihn bewegt und was ihn politisch besorgt, erläutert der baldige Polit-Ruheständler im Gespräch mit dem SÜDKURIER.

Im Obereschacher Rathaus war 20 Jahre lang der Arbeitsplatz von Ortsvorsteher Klaus Martin. In den nächsten Wochen wird er hier sein ...
Im Obereschacher Rathaus war 20 Jahre lang der Arbeitsplatz von Ortsvorsteher Klaus Martin. In den nächsten Wochen wird er hier sein Büro räumen. | Bild: Stadler, Eberhard

Geboren, aufgewachsen, zur Schule gegangen und politisch sozialisiert wurde Klaus Martin (71) im nahegelegenen Tuttlingen. Er engagierte sich in der Schülermitverwaltung, gehörte zu den Gründern der Jungen Union (JU) in Tuttlingen und wurde stellvertretender Vorsitzender der JU in Südbaden. 1972 trat er in die CDU ein.

Viele tolle Leute kennengelernt

„Ich habe viele tolle, interessante Leute durch die Politik kennengelernt, auch in der Jungen Union Südbaden“, schildert Klaus Martin. Nach dem Studium der Verwaltungswissenschaften an der Uni in Konstanz absolvierte er seinen Einstieg in die öffentliche Verwaltung beim Landratsamt von Kaiserslautern, de facto als Referent des Landrats.

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„Dann sind die Triberger auf mich zugekommen“, berichtet er. Er wurde gefragt, ob er als Bürgermeister kandidiert, gegen den damaligen Amtsinhaber. Das war 1986. Martin stellte sich der Herausforderung: „Ich konnte nur gewinnen. Entweder die Wahl oder an Erfahrung.“ Er hat die Wahl gewonnen, wurde mit 33 Jahren Rathauschef in der Schwarzwaldstadt und leistete 16 Jahre lang zwei erfolgreiche Amtszeiten.

Am Amt des Landrats scheitert er

Seine Bemühungen, in der Triberger Zeit weitere Schritte auf der Karriereleiter zu gehen, stießen dann aber an Grenzen. Bei seiner Kandidatur um das Amt des Landrats 1996 im Schwarzwald-Baar-Kreis unterlag er ebenso wie bei seiner Bewerbung um das Amt des Oberbürgermeisters von Rottweil. In Triberg eine dritte Amtszeit anzugehen, nach dem er zweimal versucht hatte, andernorts Fuß zu fassen, fand er politisch nicht redlich.

Von Triberg nach Obereschach

Martin beendete seine Tätigkeit in Triberg und suchte sich ein neues Betätigungsfeld. Ein neues Heim fand er 2002 mit Familie eher zufällig in Obereschach, wo ein Bauplatz zur Verfügung stand. Die Ortschaft, sie ist ihm längst zur Heimat geworden. 2004 wurde er in den Ortschaftsrat von Obereschach gewählt.

Im Nachhinein ist Martin dankbar, dass er Ortsvorsteher geworden ist. Die neue Lebenslage habe es ihm erlaubt, sich intensiv um seine – inzwischen erwachsenen – Kinder, zu kümmern, was in einem Spitzenamt kaum möglich gewesen wäre. „Das möchte ich nicht missen“, sagt er. Und die Politik, die kam dennoch nicht zu kurz.

Klaus Martin im Gemeinderat. Dreimal wählten ihn die Bürger in die Ratsversammlung für insgesamt 15 Jahre.
Klaus Martin im Gemeinderat. Dreimal wählten ihn die Bürger in die Ratsversammlung für insgesamt 15 Jahre. | Bild: Hoffmann, Claudia

Denn die Obereschacher waren froh, einen versierten Verwaltungsmann zu bekommen. Der Ortschaftsrat wählte den Neuankömmling umgehend zum Ortsvorsteher. 20 Jahre lang hat er das Amt ausgefüllt. Damit nicht genug. Seit 15 Jahren ist er Mitglied des Gemeinderates, von 2019 bis 2023 führte er die CDU-Gemeinderatsfraktion an. 14 Jahre lang schulterte er den Vorsitz des CDU-Stadtverbandes.

„Große Erfüllung als Ortsvorsteher“

Mit Genugtuung schaut Klaus Martin vor allem auf seine 20 Jahre als Ortsvorsteher der 1700 Einwohner von Obereschach zurück. „Es war für mich eine große Erfüllung, etwas bewegen zu können. Der Kontakt mit den Menschen, denen man oft helfen konnte, war meine große Befriedigung“, sagt er im Rückblick.

Obereschach ist Klaus Martin zur persönlichen und politischen Heimat geworden.
Obereschach ist Klaus Martin zur persönlichen und politischen Heimat geworden. | Bild: Trippl, Norbert

Umsetzen konnte er mithilfe des Ortschaftsrates in dieser Zeit eine Fülle von Vorhaben, etwa die abschnittsweise Umgestaltung der Alten Schule zum Vereinsheim und einem neuen sozialen Mittelpunkt der Ortschaft. Die Motivation, wie die Vereine selbst mitgearbeitet haben, hat Martin tief beeindruckt. „So was erlebst Du nicht mehr, das war sensationell“, schwärmt er.

Und insgesamt: Das Zusammenspiel mit dem Ortschaftsrat und der Stadtverwaltung „hat wunderbar funktioniert“, urteilt er. Schaut er heute auf Obereschach, tut er es mit Zufriedenheit: „Unsere Infrastruktur ist intakt.“

Große Themen begleitete Martin auch in 15 Jahren als Gemeinderat von Villingen-Schwenningen. „Es ist viel gegangen. Wir haben einiges angestoßen und bewegt“, bilanziert er. Beispielsweise die Gartenschau, die Sanierung des Deutenberg-Gymnasiums, das Quartier Oberer Brühl.

Immer wieder die Gegensätze von VS

Kritisch merkt er aber auch an: „Über vielen Entscheidungen standen – ausgesprochen oder unausgesprochen – die Gegensätze von Villingen-Schwenningen“. In der CDU-Fraktion als größter Fraktion war dies häufig spürbar. Ein ewiger Gegensatz? „Es ist inzwischen etwas besser geworden“, findet Martin. Einen Durchbruch sieht er noch nicht.

„Zur Nagelprobe wird für mich der Bürgerentscheid über ein zentrales Hallenbad. Wenn wir die Kraft haben, dieses Projekt zu verwirklichen, ist der Zusammenschluss von Villingen-Schwenningen gelungen“, glaubt er. Und wenn nicht? „Dann ist es für mich ein weiterer Beweis, dass wir es nicht hinkriegen.“

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Schaut Martin auf seine Partei, die CDU, so räumt er selbstkritisch ein: „Wir waren in Baden-Württemberg zu erfolgsverwöhnt.“ Die CDU müsse sich mit den Bürgern wieder stärker austauschen. Zugleich warnt er die Partei vor einem Rechtsruck. „Wir dürfen den Themen der AfD nicht hinterherlaufen.“

Sorge um die Demokratie

„Wir haben eine Krise der Demokratie“, sagt Martin. Es gehöre in weiten Kreisen zum guten Ton, über die Parteien und die Politik zu schimpfen. Darin sieht er eine ernsthafte Bedrohung für das System. „Die Leute müssen verstehen: Wir haben nichts Besseres als die repräsentative Demokratie“, mahnt er. Seine größte Sorge sei, sagt er nachdenklich: „Dass wir verspielen, was wir haben.“

Klaus Martin zur politschen Entwicklung Deutschlands: „Meine größte Sorge ist, dass wir verspielen, was wir haben.“
Klaus Martin zur politschen Entwicklung Deutschlands: „Meine größte Sorge ist, dass wir verspielen, was wir haben.“ | Bild: unbekannt

Wenn Martin in den nächsten Wochen in den politischen Ruhestand treten wird – er tritt nicht mehr bei den Kommunalwahlen an – „werden mir sicherlich die guten Gespräche und Kontakte fehlen“, gibt er zu. Er möchte die Lücke mit Aktivitäten füllen, die in der Vergangenheit zu kurz kamen. Zum Beispiel will der leidenschaftliche Bücherfreund endlich mal auf die Frankfurter Buchmesse. Die intensivere Beschäftigung mit Zeitgeschichte, mit Literatur und Malerei hat er sich schon fest vorgenommen.