Es geht familiär zu. Im Laden von Nicole Ardic treffen sich ihr Ehemann Harkan Ardic, ihre Schwiegermutter Gülay Ardic und ihre Schwester Julia Elena Lust. Dazu gesellen sich noch Connor Frauenheim und Enrico Greco. Was sie alle verbindet? Ihr Interesse an Cannabis.

Sie haben einen Social Club gegründet. Der Schwarzwälder Cannabis Bund ist seit 5. Februar eingetragen, die erste Fassung der Satzung stammt laut Vereinsregister sogar aus dem April 2023. Lange vor der Legalisierung von Cannabis. „Wir mussten in unsere Satzung an vielen Stellen schreiben ‚wenn sich das Gesetz ändert‘“, erzählt Harkan Ardic. Sonst wäre der Verein gar nicht zugelassen worden.

Medizinische Gründe führen zur Vereinsgründung

Das Treffen findet in Nici‘s Nightmarket in der Jakob-Kienzle-Straße in VS-Schwenningen statt. Dort gibt es alles außer Joints: Dünger, Anbauzelte, Startersets für das Aufpäppeln von Cannabispflanzen. Und es gibt jede Menge Süßigkeiten und Getränke in Automaten.

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„Als ich meinen Laden 2021 eröffnet habe, war das noch gar nicht die Überlegung“, sagt Nicole Ardic. „Ich wollte einfach nur CBD-Produkte verkaufen.“

Cannabis darf Nicole Ardic in ihrem Laden in Schwenningen nichtg verkaufen. Zubehör wie diese Spezialdünger aber schon.
Cannabis darf Nicole Ardic in ihrem Laden in Schwenningen nichtg verkaufen. Zubehör wie diese Spezialdünger aber schon. | Bild: Block, Andreas

Der Familie Ardic geht es nicht um das Thema Rausch. „Wir sind seit 2018 Cannabis-Patienten„, erklärt Harkan Ardic. Seiner Mutter helfe das gegen Zucker und Blutdruckprobleme. Durch den Verein möchten sie etwas dazu beitragen, dass der Konsum von Cannabis sein Stigma verliert. „Cannabis kann Patienten mit Chemotherapie die Schmerzen nehmen und dazu führen, dass sie sich seltener übergeben müssen. Das ist eine Sache der Lebensqualität“, sagt Harkan Ardic.

So stehen die Mitglieder zum Jugendschutz

Connor Frauenheim ist als Anbaurat im Verein für die Aufzucht von Cannabis-Pflanzen zuständig. „Der Wirkstoff THC kann außerdem helfen, von Drogen oder Schmerzmittel runterzukommen“, sagt er. „Wenn jemand von Methadon auf Cannabis umsteigt, dann geht es dabei auch um Schadensverringerung“, findet Frauenheim.

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Das Thema Jugendschutz betonen sie immer wieder, sehen den Club als Beitrag zur Prävention. „Ich habe früh mit Cannabis angefangen, in meiner Jugend“, erzählt Harkan Ardic. „Im Nachhinein sehe ich das als meinen größten Fehler an. Und den machen viele Leute.“

Die Folgen der Tabuisierung

Das größte Problem sei, dass Cannabis ein Tabu-Thema sei. „Die Prävention war eigentlich nur Prohibition“, kritisiert Ardic. „Wenn ich Süchtige und Kranke bestrafe, dann machen die natürlich viel zu spät den Mund auf.“ Weil sie Angst haben, damit zu den Eltern zu gehen. „Wie viele haben sich ihr Leben komplett verbaut, weil sie mal einen geraucht haben“, sagt er. „Dabei sind die meisten Konsumenten, die ich kenne, komplett normale Leute.“

In so einem Zelt lässt sich Cannabis auch daheim anbauen.
In so einem Zelt lässt sich Cannabis auch daheim anbauen. | Bild: Block, Andreas

Enrico Greco sieht noch einen weiteren Vorteil der Social Clubs. „Es wurde immer einfacher, Cannabis zu bekommen“, sagt er. „Durch uns wird jetzt der Schwarzmarkt ausgetrocknet, weil die Leute eher auf die Clubs vertrauen“, ist er sich sicher. Die Qualität sei höher, das Produkt sicherer und ein Club könne auch billiger sein als ein Dealer.

So geht es mit der Legalisierung weiter

Für den Anbaurat ist klar, dass in absehbarer Zeit der nächste Schritt kommen muss. Laut Bundesregierung sollen Modellprojekte in ausgewählten Regionen fünf Jahre lang Genusscannabis produzieren, vertreiben und in Fachgeschäften verkaufen. Die Auswirkungen einer kommerziellen Lieferkette auf Gesundheit, Jugendschutz sowie den Schwarzmarkt sollen so wissenschaftlich untersucht werden.

Kommt der Wirtschafts-Boom durch Cannabis?

Die Vereinsmitglieder verweisen auf das wirtschaftliche Potenzial. „Es wäre schade, wenn Deutschland eine Chance verpasst“, sagt Connor Frauenheim. „Unvorstellbar, wie viel Geld der Staat mit Cannabis machen könnte. Da könnte man einige Schultoiletten erneuern.“

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Harkan Ardic rechnet mit neuen Arbeitsplätzen, sollte es in Zukunft legale Anbaufarmen geben. Deshalb investiert der Verein bereits heute in die Cannabis-Zukunft. „Wir haben unsere Gärtner schon auf Seminare mit niederländischen Experten und zur größten Fachmesse Europas nach Barcelona geschickt“, sagt er. „Eine überwältigende Erfahrung“, findet Connor Frauenheim.

Vielfalt als Alleinstellungsmerkmal

Anfangs sollen die Stecklinge aus den USA und aus Österreich kommen. Mit einer hohen Anzahl von Sorten und der Expertise ihrer beider Gärtner wollen sich die Vorstandsmitglieder von anderen Anbauvereinen abheben.

Angst vor dem Scheitern beim Anbau haben die Gärtner nach ihrer Fortbildung jedenfalls nicht. „Seit ich klein bin, bin ich meinen Großeltern im Garten. Apfelbäume und Chilis sind kein Problem, dann bekomme ich auch Cannabis auf die Reihe“, sagt Frauenheim.

Die angebotenen Tropfpipetten zeigen: Beim Cannabis-Anbau ist auch bei der Anwendung von Dünger (im Röhrchen) Präzision gefragt. Das ...
Die angebotenen Tropfpipetten zeigen: Beim Cannabis-Anbau ist auch bei der Anwendung von Dünger (im Röhrchen) Präzision gefragt. Das gilt auch für das Beschneiden der Blüten mit einer speziellen Zange. Garten-Nerds können sich bei diesem Thema offenbar austoben. | Bild: Block, Andreas

Eine Anbaufläche haben sie sich bereits angeschaut, 20 Kilometer entfernt von Villingen-Schwenningen. Zum Stichtag 1. Juli wollen sie eine Lizenz beantragen und dann für ihre Mitglieder Cannabis anbauen. 200 seien dem Club bereits beigetreten, 500 dürfen es laut Gesetz werden.

Anbauort wird nicht verraten

Als Ausgabestelle, bei der die Clubmitglieder das Cannabis abholen können, scheidet der Laden von Nicole Ardic aus rechtlichen Gründen aus. „Es wird irgendwo sein, wo wir niemanden stören“, sagt Enrico Greco.

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Fühlen sich die Cannabis-Pioniere von den vielen Regelungen, die mit der Legalisierung verbunden sind, eigentlich eingeschränkt? „Ich finde das Gesetz voll okay“, sagt Harkan Ardic. „Wenn du mit 100 Gramm Cannabis draußen herumläufst, dann stimmt bei dir was nicht.“