Ein Großteil des einstigen Bundeswehr-Areals auf dem Meßstetter Geißbühl ging jetzt in den Besitz des Zweckverbandes Interkommunalen Industrie- und Gewerbeparks (IIGP) Zollernalb über. In einer Pressemitteilung der Stadt Meßstetten wird dazu ein Gespräch mit IIGP-Geschäftsführerin Heike Bartenbach geführt.

Frau Bartenbach, auf diesen Tag haben Sie lange hingearbeitet...

Es ist ein sehr erfreulicher Tag, da mit dem Eigentumsübergang des Geländes die wesentliche Voraussetzung für unsere Konversion hin zu einem interkommunalen Industrie- und Gewerbepark geschaffen wird. Zwar rechnen wir noch mit allerhand Überraschungen, die beim Besitzübergang einer so großen Immobilie zu erwarten sind. Zum Feiern ist uns erst dann zumute, wenn Strom-, Wasser- und Wärmeversorgung funktionieren, keine neuen Wassereinbrüche eintreten oder sonstige unvorhergesehenen Ereignisse passieren.

Können Sie die zurückliegende Entwicklung kurz skizzieren?

Nachdem die Bundeswehr 2014, also vor 10 Jahren, die Kaserne verlassen hat, hat die Stadt Meßstetten fortan, zusammen mit den umliegenden Städten und Gemeinden, Ideen zur Konversion entwickelt. Am 15. Oktober 2020 haben dann Meßstetten, Albstadt, Balingen, Nusplingen und Obernheim gemeinsam den Zweckverband „Interkommunaler Industrie- und Gewerbepark Zollernalb“ gegründet und sich zur energie- und ressourceneffizienten sowie nachhaltigen Bewirtschaftung verpflichtet. Das war damals, vor Ukraine-Krieg und Energiekrise, noch mutig und vorausschauend. Heute gibt ein es keine Zweifel mehr, dass dieses Konzept der richtige Weg für einen Industriestandort der Zukunft ist. Im letzten Jahr haben wir mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben nach mehrjährigen Verhandlungen einen Kaufvertrag für das circa 50 Hektar große Kasernengelände abgeschlossen. Gleichzeitig haben wir von der Geologie bis zum Artenschutz alle Grundlagen für die Bauleitplanung und Erschließung geschaffen, damit wir im Frühjahr mit der Erschließung des ersten Bauabschnitts beginnen können.

Bei der jüngsten IIGP-Verbandsversammlung wurde der erste Haushaltsplan für den Betrieb des Kasernenareals verabschiedet. Nennen Sie uns bitte ein paar Eckdaten daraus!

Nachdem das letzte Jahr vor allem von Planungskosten geprägt war, stehen jetzt nach dem Grunderwerb erste Bauarbeiten an. Für die ersten beiden Bauabschnitte haben wir 4,4 Millionen Euro bis 2025 eingeplant, für Abrissmaßnahmen zunächst 1,1 Millionen. Für den Erhalt von Gebäuden und dem vorläufigen Weiterbetrieb bestehender Infrastruktur, zum Beispiel der Wärmeversorgung, fallen darüber hinaus Betriebskosten an.

Wie muss man sich die Umwandlung vorstellen? Werden Häuser abgerissen?

Es ist Teil unseres nachhaltigen Konzepts, nicht alle Gebäude abzureißen beziehungsweise zurückzubauen, sondern Bestandsgebäude soweit wie möglich zu erhalten, weiter zu nutzen und nachzuverdichten. In diesen Gebäuden ist schließlich viel graue Energie gespeichert. Die Mannschaftsgebäude könnten z.B. für Büros, Forschung, Entwicklung, Labore oder kleinere Produktionen genutzt werden. Größere Produktionshallen könnten angebaut werden. Wir wollen die wertvolle vorhandene Fläche gut ausnutzen und dicht bebauen. Gleichzeitig legen wir viel Wert auf Begrünung und eine hohe Aufenthaltsqualität für die zukünftig dort Beschäftigten.

Die Firma MVV aus Mannheim ist das erste Unternehmen, dass auf dem neuen Geißbühl Fuß fassen wird. Es gibt einen „Durchführungsvertrag“ sowie „Reservierungsvereinbarung“. Was hat es damit auf sich?

Für die geplante Ansiedlung einer Biotonneabfallvergärungsanlage haben wir einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan aufgestellt, zu dem ein Durchführungsvertrag gehört, in welchem die Details des geplanten Vorhabens und die Erschließung verbindlich geregelt werden. Damit die Anlage gebaut werden kann, wurde ein konkretes Grundstück reserviert, ein Kaufvertrag ist in Arbeit. Abfälle aus Biotonnen werden bisher üblicherweise kompostiert, was Methan in die Atmosphäre entlässt. In der geplanten Anlage sollen die Abfälle aus den Biotonnen vergoren werden. Das dabei entstehende Biomethan wird ins Gasnetz eingespeist und ersetzt damit Erdgas. Zusätzlich wird CO2 separiert und dauerhaft gebunden. Damit ist die Anlage klimapositiv. Mit der geplanten Anlage können zudem Transporte von Biotonnenabfällen zu weiter entfernten Behandlungsstandorten reduziert werden. Allerdings muss sich die MVV bei den Landkreisen und Städten im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens für die Bioabfallbehandlung bewerben.

Es bedurfte einen Marathon an Behördenabstimmungen zu meistern. Insbesondere die „Wasserschutzrechtliche Prüfung“ wurde vom IIGP-Partner Albstadt hinterfragt. Gibt es hier noch Handlungsbedarf?

Es ist in der Tat so, dass wir uns auf der Albhochfläche in einem sensiblen Naturraum und zudem im Wasserschutzgebiet befinden. Auch deshalb ist eine ökologisch nachhaltige Entwicklung aus meiner Sicht zwingend. Selbstverständlich hat der Schutz des Wassers und der umgebenden Natur allerhöchste Priorität. Zum Schutz der Trinkwasserquellen wurden daher bereits umfangreiche Untersuchungen erstellt und Maßnahmen getroffen. So sind zum Beispiel bei der Biotonneabfallvergärungsanlage redundante Sicherheitsvorkehrungen vorgesehen. Neben Sensortechnik und Leckage-Erkennung ist die Anlage in einer wasserdichten Wanne geplant.

Noch leben nicht wenige Geflüchtete aus der Ukraine in den ehemaligen Soldatenunterkünften auf dem Geißbühl.

Im Moment sind knapp 300 Geflüchtete aus der Ukraine in den ehemaligen Mannschaftsgebäuden untergebracht, was während unserer Planungsphase unproblematisch war. Aus Sicht des Zweckverbands darf die Unterbringung allerdings nicht die Erschließung und die zukünftige Entwicklung blockieren. Dazu sind wir mit dem Landratsamt und dem Land im engen Austausch.

Könnten das Land Baden-Württemberg und der Landkreis die IIGP-Pläne noch durchkreuzen?

Planungsrechtlich ist das Gelände mittlerweile als Industrie- und Gewerbeschwerpunkt der ganzen Region Neckar-Alb festgelegt. Damit ist die Schließung absehbar.

Es sollen bereits einige Firmen Interesse an einer Ansiedlung im neuen Gewerbepark bekundet haben?

Wir haben tatsächlich bereits einige Anfragen, obwohl wir bisher noch nicht offensiv in die Vermarktung gegangen sind. Es handelt sich dabei um Unternehmen aus der Region und auch von außerhalb aus unterschiedlichen Branchen. Nach dem Eigentumsübergang werden wir in den nächsten Wochen weitere Gespräche führen.

Dürfen alle Unternehmen und Nutzungen kommen?

Wir haben hier den Status eines Industriegebiets, das heißt, es ist zum Beispiel eine 24/7-Produktion möglich. Das möchten wir nutzen und insbesondere produzierenden Unternehmen Raum bieten. Nicht vorgesehen ist deshalb Wohnen. Auch großflächiger Einzelhandel ist ausgeschlossen. Im grünen Industriegebiet der Zukunft gibt es idealerweise keinen Abfall, keine Abluft, kein Abwasser. Alles bleibt im Kreislauf. Reststoffe eines Unternehmens könnten so Rohstoffe für ein anderes sein.

Wird der Geißbühl 2030 zu einem blühenden Wirtschaftsstandort?

Ja, davon gehe ich aus. Dabei muss man berücksichtigen, dass Industrieansiedlungen einige Vorlaufzeit benötigen. Der Aufbau einer hochmodernen Produktion mit komplexen Anlagen braucht mehr Zeit als der Umzug eines Büros.