Die Lage ist schwierig, die Finanzen sind überall im Keller, die Gesellschaft in Aufruhr und wütend und frustriert. Kriege werden nicht weniger, sondern eher mehr. Was macht man mit der Kultur in einer solchen Lage? Das Theater Konstanz jedenfalls wartet nicht ab, bis jemand etwas mit der Kultur macht, sondern versucht es mit der Schaffung eines Gegenpols. „Hoffnung radikal“ steht in Versalien auf dem Programmheft der Spielzeit 2024/2025. Was kann sich das Publikum darunter vorstellen? Das bietet das Theater seinen Zuschauern in der neuen Spielzeit:

  • Jede Menge Optimismus. Notfalls aber, ohne die Haftung zu übernehmen. So ähnlich heißt dann auch ein Stück, das ab 28. September auf der Bühne der Werkstatt läuft. Stellvertretend steht es für das Motto der Spielzeit und mit dem Titel „Happy End“ ist die Richtung ohnehin vorgegeben. Sicherheitshalber wird der Titel ergänzt: (ohne Garantie). Es geht um drei Geiselnehmerinnen, die die Welt retten wollen und an ein Diensthandy der Bundesregierung gekommen sind. „Es handelt sich um die empathischsten Geiselnehmerinnen, die man sich vorstellen kann“, sagt Dramaturgin Carola von Gradulewski beim Pressegespräch.
    Ähnlich freundlich klingt die Vorstellung des Stücks „Nice“, das der Autor Kristor Sagor im Auftrag für das Theater Konstanz geschrieben hat. Das Thema ist ernst, es geht um Gaming – aber es soll nicht die Suchtgefahr im Vordergrund stehen, sondern die Ideen von Freundschaft, von Spielen und Rollenspiel im Leben, vom Zocken und Verzocken. „Nice“ wird im Theater Konstanz uraufgeführt und ist geeignet für Erwachsene und Jugendliche ab 14 Jahren.
  • Rebellion und Politik: Politisch und kritisch sind die von Karin Becker verantworteten Spielzeiten immer. Das Stück „Die ersten 100 Tage“ von Lars Werner greift nun ein Thema auf, das aktuell etliche systemtreue politisch engagierte Bürger des eher linken Spektrums umtreibt: Die Dystopie spielt in einem Deutschland, dessen Regierung von rechtsextremen Kräften übernommen wurde. Drei Freundinnen haben das Land verlassen und sind ins Exil gegangen, ein vierter Freund ist geblieben, wird aber bedroht und braucht die Hilfe der ehemaligen Kommilitoninnen. Mit diesem sehr aktuellen Stück, das im Rahmen des Bodenseefestivals auf die Bühne kommt, setzt das Theater ein ideelles Zeichen. Ganz anders, aber nicht weniger symbolisch: Das Stadttheater bringt „Nina, Mother of Punk“ auf die Bühne. Eine Hommage an die Ost-West-Künstlerin, die 2025 ihren 70. Geburtstag feiert.
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  • Sozialkritik und klassische Texte – und das noch unter freiem Himmel: Ist Bertolt Brecht aus der Mode gekommen? Wohl kaum, denn ähnlich wie die 20er-Jahre des 20. Jahrhunderts geben sich auch die 20er-Jahre des 21. Jahrhunderts wild, sozial ungerecht und unausgeglichen. Höchste Zeit, mal wieder die „Dreigroschenoper“ mit ihren Moritaten, ihrem Humor und der Kritik an den Verhältnissen auf die Bühne zu stellen. Diese Idee hatten Insa Pijanka, ehemalige Intendantin der Südwestdeutschen Philharmonie, und Theater-Intendantin Karin Becker an einem lauen Sommerabend im Jahr 2021, als die Pandemie alle Planungen überdeckte. „Daran war natürlich zu dem Zeitpunkt nicht zu denken“, berichtet Becker beim Pressegespräch.
    Jetzt wird es möglich: Das Theater und die Philharmonie bringen das weltberühmte Stück im Sommer 2025 auf die Freiluftbühne des Münsterplatzes. Chefdramaturgin Meike Sasse verantwortet die Inszenierung, Gabriel Venzago, Chefdirigent der Philharmonie, hat die musikalische Leitung inne.
  • Spannendes für sehr junge Zuschauer: „Gangsta-Oma“ soll die jüngsten Theaterbesucher begeistern. Und das könnte mit diesem Familienstück nach einem Roman von David Walliams funktionieren: In der Geschichte für ab Sechsjährige geht‘s um Ben, der seine eigentlich langweilige Oma regelmäßig besucht. Bis er entdeckt, dass sie gar nicht langweilig ist, sondern eine Juwelendiebin. Ab jetzt schmieden die beiden ihre Coups gemeinsam. Das Stück wird ab November auf der Bühne des Stadttheaters gezeigt.
    Fantastisch klingt die Geschichte von „Siri und den Eismeerpiraten“, die nach dem Roman von Frida Nilsson ab Februar 2025 in der Spiegelhalle gespielt wird. Sie handelt von zwei Schwestern, denen die Geschichten der Eismeerpiraten gut vertraut sind. Eines Tages wird die jüngere Schwester tatsächlich von den unheimlichen Gestalten entführt – und Siri, die ältere, fühlt sich schuldig. Bis sie sich auf den Weg macht, ihre Schwester zu befreien. „Siri und die Eismeerpiraten“ ist für Kinder ab zehn Jahren ab Februar in der Spiegelhalle zu sehen.
Sie stellen die Stücke beim Pressetermin vor: von links Gabriel Venzago, Chefdirigent SWP), Romana Lautner (Leiterin des Jungen Theater ...
Sie stellen die Stücke beim Pressetermin vor: von links Gabriel Venzago, Chefdirigent SWP), Romana Lautner (Leiterin des Jungen Theater Konstanz), Karin Becker (Intendantin Theater Konstanz), Chefdramaturgin Meike Sasse und die Dramaturginnen Lea Seiz, Sabrina Toyen, Carola von Gradulewski | Bild: Hanser, Oliver
  • Sensible und nachdenkliche Inszenierungen: In diese Kategorie fällt zum Beispiel das Stück „No Shame in Hope (eine Jogginghose ist ja kein Schicksal)“. Es geht um Depressionen und psychischen Schmerz – und die Frage, wie man dem Zustand der Welt und dem eigenen Leben anders als mit Depression begegnen könnte. Berührend dürfte das Stück „Himmelwärts“ auf die jungen und älteren Zuschauer wirken, in dem zwei Freundinnen draußen übernachten und ein kosmisches Radio bauen. Mit diesem wollen sie Kontakt zur verstorbenen Mutter des einen Mädchens herstellen. „Himmelwärts“ unter der Regie von Juli Paul Bökamp, dramaturgisch begleitet von Romana Lautner, ist ab Mai 2025 in der Werkstatt zu sehen und geeignet für Kinder ab acht Jahren.
    „Goldzombies“, das Stück, das in den Klassenzimmern der Region gezeigt werden soll, thematisiert das Zusammenprallen scheinbar unvereinbarer Welten: Die Jugendliche Lissi bietet Make-up-Tutorials auf sozialen Medien an, nicht unüblich für Heranwachsende. Zugleich lebt sie im Kriegsgebiet, muss ums eigene Leben fürchten und um das ihrer Familie.