Im Besprechungszimmer des Co-Working-Büros „See.Statt“ am Häfler Bahnhofsplatz mit Blick auf den Bodensee liegen drei bunte Stressbälle auf dem Tisch. Vorsichtig platziert Frank Heimpel-Labitzke ein Mikrofon darauf. Er nickt zufrieden. „Das dämpft bei der Aufnahme Außengeräusche ab, wenn zum Beispiel jemand versehentlich gegen den Tisch tritt“, erklärt er. Obwohl der Ortsverband der Grünen neu in der Podcaster-Welt ist – das Aufnahme-Setting wirkt professionell. Barbara Wagner, Christine Bernard und Jana Hensinger nehmen um den Tisch herum Platz und besprechen gemeinsam, was bei der nächsten Podcastfolge der Reihe „Grün findet Stadt“ thematisiert werden soll.

Das Problem: Die Kommunalpolitik in der Krise

Als Kommunalpolitiker hat man es nicht immer einfach. „Die Menschen scheuen zunehmend den Weg in die Kommunalpolitik, da sie sich den Angriffen aus der Bevölkerung nicht aussetzen möchten – man blicke nur nach Dresden, wo ein Kommunalpolitiker kürzlich krankenhausreif geprügelt wurde„, sagt Heimpel-Labitzke. Er kandidiert für den Kreistag und für den Häfler Gemeinderat. Vielerorts finde man aber nicht mehr genügend Kandidaten für die ehrenamtliche Übernahme von Verantwortung in den Städten und Gemeinden.

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Eine weitere Herausforderung: Der Wahlkampf, besonders im Kommunalen, hat sich im Vergleich zur vergangenen Kommunalwahl verändert. „Der Zulauf bei öffentlichen Veranstaltungen wird weniger – und das spürbar. Der Kommunalwahlkampf 2019 hat viel mehr im öffentlichen Raum stattgefunden“, stellt Barbara Wagner, Mitglied im Kreisvorstand und Kandidatin für den Häfler Gemeinderat und den Kreistag, fest. Doch das liegt laut Wagner auch an Corona. „Seit der Pandemie findet das Leben mehr und mehr im Digitalen statt – auch das politische“, so Wagner. Die 20-jährige Jana Hensinger, die ebenfalls für den Häfler Gemeinderat kandidiert, bringt es auf den Punkt: „In den digitalen Formaten steckt ein unglaubliches Potenzial, auch für Parteien.“

Die Idee: Politik, die auf die Ohren geht

Zwar ist die 20-jährige Jana Hensinger erst seit wenigen Monaten bei den Grünen Mitglied, doch schon kurz nach dem ersten Kennenlernen bei der Nominierungsversammlung brachte die Studentin die Idee beim Ortsverband ein, einen Podcast zu starten. „Ich selbst höre wahnsinnig gern Podcasts. Verschiedene Themen können nahbar und transparent vermittelt werden“, sagt die Politikwissenschaftsstudentin.

Hensinger und Bernard haben sichtlich Spaß im improvisierten Podcast-Studio.
Hensinger und Bernard haben sichtlich Spaß im improvisierten Podcast-Studio. | Bild: Kley, Denise

Und auch die Zahlen sprechen für sich: Knapp jeder zweite Deutsche ab 16 Jahren (43 Prozent) hört zumindest hin und wieder Podcasts – das entspricht 29,7 Millionen Menschen, wie eine Umfrage des Medien-Branchenverbands Bitkom im Jahr 2023 ergab. Unter den Jüngeren zwischen 16 und 29 Jahren hört sogar mehr als die Hälfte Podcasts (52 Prozent), bei den 30- bis 49-Jährigen ist es exakt die Hälfte (50 Prozent).

„Jana Hensinger hat uns mit der Idee im Sturm erobert“, erzählt Heimpel-Labitzke. „Der Podcast soll ein Begegnungsformat sein, der verschiedene Lebensrealitäten abbilden und dabei die Kandidaten und vor allem deren Themen vorstellen soll. Damit auch diejenigen eine Plattform bekommen, die sich während des Wahlkampfes tendenziell eher im Hintergrund befinden und nicht auf den Wahlplakaten zu sehen sind.“

Die Umsetzung: Pro Woche eine Folge

Gesagt, getan: Jana Hensinger übernimmt als Moderatorin die Federführung. Sie lädt die Gäste und Kandidaten ein und macht sich Gedanken zu dem thematischen Schwerpunkt. Vier Podcastfolgen haben die Grünen seit Mitte April aufgenommen. Die Themen sind vielfältig: So stehen Bildung und Chancengerechtigkeit und die Biodiversitätskrise auf der Agenda, aber auch die Frage „Was hält eine Gesellschaft zusammen?“ wird beantwortet. Pro Woche wird eine Folge online gestellt.

Den Arbeitsaufwand darf man nicht unterschätzen, denn das Redaktionsteam arbeitet ehrenamtlich. „Die Aufnahmen gehen meist mehrere Stunden, dann folgt die Postproduktion mit Schnitt, an der man auch mehrere Stunden sitzt“, zählt Hensinger auf. Das Schwierigste an der Sache: Den richtigen Zeitpunkt zu finden, um den Schnitt abzuschließen. „Der Perfektionsdrang ist hoch. Man denkt sich immer: Ach, das Thema und der Ansatz wäre ja auch noch spannend. Irgendwann muss man einen Schnitt machen und einen Haken druntersetzen“, so Frank Heimpel-Labitzke. Der Podcast ist auf der Homepage zu finden, aber auch über die bekannten Podcast-Plattformen wie Apple und Spotify aufrufbar.

Auch die Häfler SPD denkt den Kommunalwahlkampf neu und veröffentlicht ebenso seit mehreren Wochen einen Podcast, in welchem die Kandidaten vorgestellt werden. „Podcasts sind eine gute Möglichkeit, schnell viele Menschen zu erreichen“, sagt Matthias Eckmann, der auch für den Gemeinderat kandidiert.

Matthias Eckmann (links) und Werner Nuber (beide SPD) sitzen im Studio der Zeppelin-Universität in Friedrichshafen, wo sie ihren Podcast ...
Matthias Eckmann (links) und Werner Nuber (beide SPD) sitzen im Studio der Zeppelin-Universität in Friedrichshafen, wo sie ihren Podcast aufnehmen. | Bild: Nathalie Metzel

Das Fazit: Es geht weiter

Die Häfler Grünen sind nun jedenfalls im Podcast-Fieber. Die Gesprächsreihe soll auch über die Kommunalwahl hinaus fortgeführt werden. „Wir möchten an den Themen dran bleiben, und zum Beispiel auch Fachleute einladen, um Problematiken zu erörtern oder Menschen zum Gespräch bitten, die sich von der Politik nicht abgeholt fühlen“, sagt Hensinger. Kann man sich also auch vorstellen, mit Querdenkern oder Rechtsradikalen an den Tisch zu sitzen? „Durchaus“, so Heimpel-Labitzke. „Wir müssen dialogfähig bleiben, das ist die Basis der Demokratie.“