Ein Lächeln war auf den Gesichtern der beiden Angeklagten am Ende der Urteilsbegründung zu sehen: Da durften sie nämlich auf einen Stuhl knien und die Justizbeamten lösten ihre Fußfesseln.

Denn das Gericht unter Vorsitz von Karlheinz Münzer hatte sie zwar zu Freiheitsstrafen von einem Jahr und sechs Monaten für den 24-Jährigen und einem Jahr und neun Monaten für den 28-Jährigen verurteilt, aber beide Strafen wurden zur Bewährung ausgesetzt.

Frau hatte nicht „Ja“ zum Sex gesagt

Die Anklagepunkte schwere Vergewaltigung, Körperverletzung, Diebstahl und Freiheitsberaubung wurden fallengelassen. Am Ende blieb ein Urteil wegen sexuellem Übergriff, das auf der Istanbul-Konvention von 2018 beruht. Die besagt, dass die Frau vor dem Sex dazu Ja sagen muss. Und das, davon war das Gericht überzeugt, hat sie nicht getan.

Das war der Vorwurf

Den beiden Männern war all dies vorgeworfen worden, sie sollten, so sah es die Staatsanwaltschaft zunächst, am 12. September 2023, eine junge Frau in Tuttlingen mit Betäubungsmitteln gefügig gemacht, sie dann in einer Wohnung in Schwenningen vergewaltigt und schließlich, zurück in Tuttlingen, ohne T-Shirt und BH aus dem Auto geworfen haben.

Doch dann hatte sich im Lauf des Prozesses herausgestellt, dass vieles von dem, was die junge Frau in der Septembernacht der Polizei erzählt hatte, nicht stimmte.

Einige Sachverhalte waren widersprüchlich

Nach dem Geschlechtsverkehr mit beiden Männern ging man zu dritt durch Schwenningen, die junge Frau hatte ihr Handy die ganze Zeit bei sich, sie sprach mit anderen Frauen, man lief sogar an der Polizei vorbei – sie hätte, wäre es eine Gewalttat gewesen, Hilfe holen können. Und hätten die Männer ihr wirklich die Oberbekleidung weggenommen, wäre das aufgefallen.

Auch habe die junge Frau zunächst ausgesagt, mit Gewalt in das Auto des 24-Jährigen gezerrt worden zu sein, so der Vorsitzende. Vor Gericht habe sie dann gesagt, sie sei freiwillig eingestiegen.

Keine K.O.-Tropfen im Spiel

Auch das Lidocain, die K.O.-Tropfen, die man ihr angeblich ins Getränk gemischt hatte, gab es offenbar nicht. Dafür hatte das Gericht den renommiertesten Toxikologen Deutschlands eingeschaltet, der eine so geringe Menge im Blut und Urin der jungen Frau fand, dass sie auch von einer Salbe, oder einem Gleitmittel stammen konnte, aber auf keinen Fall von einem Getränk.

Hoher Alkoholwert am Tattag

Sicher war der Alkoholgehalt, der lag bei 2,6 Promille: Die junge Frau hatte schon mittags mit einer Freundin in Tuttlingen an der Donau Alkohol getrunken, auch Cannabis war im Spiel, so Richter Münzer. Aber auch die beiden Angeklagten hätten sich in unglaubwürdige Aussagen verstrickt. Manches von dem, was sie behauptet hatte, sei vermutlich ihrer von Filmen gespeisten Phantasie entsprungen.

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„Der Vorwurf war gewaltig“, so Richter Münzer über die ursprüngliche Anklage der Staatsanwaltschaft. So sei der Prozess eine lange und belastende Phase für die beiden nicht vorbestraften Angeklagten gewesen, beide saßen fast acht Monate in U-Haft.

Gericht sieht gute Sozialprognosen

Dem jüngeren hielt das Gericht auch zugute, dass er nach dem Hauptschulabschluss eine Ausbildung machte und danach gearbeitet hatte. Der Ältere war zur Tatzeit arbeitslos und ohne festen Wohnsitz.

Dennoch sah das Gericht bei beiden eine gute Sozialprognose. Nun stehen sie die nächsten drei Jahre unter Bewährungsaufsicht und müssen sich Gesprächen zur sexuellen Bildung unterziehen, so will es das Gericht. Normen, Werte, Grenzen im Umgang mit Frauen – und eben die Regeln der Istanbuler Konvention lernen. Seinen Mercedes bekommt der 24-Jährige übrigens wieder zurück.